Wie entsteht Trauma-Bonding?

Bindungsverhalten in toxischen Beziehungen

Trauma-Bonding ist eine intensive emotionale Abhängigkeit, die durch eine toxische Beziehung entsteht, insbesondere mit narzisstischen oder missbräuchlichen Partnern. Es entwickelt sich durch ein Wechselspiel aus Zuneigung und Abwertung bis hin zu Misshandlung. Das schafft tiefe psychologische und physiologische Abhängigkeiten.

Ein zentraler Faktor ist die Unvorhersehbarkeit und emotionale Achterbahnfahrt. Der Narzisst schwankt zwischen extremer Liebe – durch Komplimente, Fürsorge und Aufmerksamkeit – und Grausamkeit, indem er kritisiert, ignoriert oder abwertet. Diese Unberechenbarkeit führt dazu, dass der betroffene Partner in einem ständigen Zustand der Verwirrung lebt und sich nach den „guten Zeiten“ sehnt, die immer wieder kurz aufblitzen. Er glaubt, dass er etwas tun kann, um die liebevolle Phase zurückzubringen, und bleibt deshalb in der Beziehung gefangen.

Dazu kommt eine hormonelle Reaktion im Körper, die diese emotionale Bindung verstärkt. In Phasen des Missbrauchs schüttet der Körper Cortisol, ein Stresshormon, aus. Sobald der Narzisst jedoch wieder freundlich ist, werden Glückshormone wie Dopamin und Oxytocin freigesetzt – dieselben Hormone, die auch bei Verliebtheit oder Mutter-Kind-Bindungen ausgeschüttet werden. Dieser ständige Wechsel zwischen Stress und Belohnung wirkt wie eine Sucht und macht es besonders schwer, sich zu lösen.

Ein weiteres psychologisches Phänomen, das Trauma-Bonding verstärkt, ist die kognitive Dissonanz. Der betroffene Partner erlebt widersprüchliche Gefühle: Einerseits Schmerz durch den emotionalen oder körperlichen Missbrauch, andererseits Momente der Zuneigung, die ihn anfangs glücklich machten. Das ist zutiefst verwirrend. Um diese Diskrepanz zu reduzieren, beginnt er oft, die schlechten Erlebnisse herunterzuspielen und die schönen Momente zu idealisieren.

Betroffene suchen nach Erklärungen für das Verhalten des Narzissten. Sie überehmen oft selbst die Schuld und bleiben in der Beziehung, in der Hoffnung, dass sich alles wieder zum Besseren wendet.

Angst und Schuldgefühle sind ebenfalls zentrale Manipulationswerkzeuge. Der Narzisst vermittelt seinem Partner, dass er ohne ihn nicht überleben oder scheitern würde. Er übergibt die Verantwortung für die Probleme in der Beziehung dem Partner. Dieser fühlt sich zunehmend wertlos und beschämt.

Typische Anzeichen von Trauma-Bonding

Menschen, die in einer Trauma-Bindung gefangen sind, zeigen oft ähnliche Verhaltensweisen:

• Idealisierung des Narzissten: Trotz vielen Grenzüberschreitungen wird der Täter entschuldigt oder sogar bewundert.

• Schwierigkeiten, sich zu lösen: Der Gedanke an eine Trennung löst starke Angst oder Schuldgefühle aus.

• Verharmlosung des Missbrauchs: Die negativen Erfahrungen werden heruntergespielt oder ignoriert.

• Selbstzweifel: Betroffene glauben, sie seien der Grund für das destruktive Verhalten des Narzissten.

• Isolation: Freunde und Familie werden gemieden, da Betroffene sich schämen oder den Partner, die Partnerin schützen will.

Warum ist Trauma-Bonding so stark?

Die psychologische Bindung ist so intensiv, weil sie tief in unserer Biologie und unseren evolutionären Schutzmechanismen verwurzelt ist. Menschen sind soziale Wesen! Von Natur aus sind sie darauf programmiert, Bindungen einzugehen, insbesondere in stressigen oder unsicheren Situationen. Der Körper reagiert auf die ständigen emotionalen Wechsel von Zuneigung und Abwertung, mit einer Überlebensstrategie, in welcher die toxische Bindung verstärkt wird. So klammern sich Frauen, weil sie sich abhängig fühlen, manchmal fest an die Gewalttäter.

Zudem isolieren Narzissten ihre Partner oft gezielt, sodass diese glauben, keine Alternativen zu haben. Sie manipulieren sie so, dass sie sich wertlos und abhängig fühlen. Die grösste Illusion, die das Trauma-Bonding aufrechterhält, ist jedoch die Hoffnung auf Veränderung – die Überzeugung, dass der Narzisst irgendwann wieder so liebevoll wird wie am Anfang der Beziehung. Diese Hoffnung ist es, die die Betroffenen am stärksten festhält – und sie in einer toxischen Beziehung gefangen hält.

Illustration Trauma-Bonding